Herdenschutzhunde – Fluch oder Segen

Vor einigen Jahrtausenden ging die Menschheit allmählich in die Sesshaftigkeit über. Aus reinen Jägern und Sammlern wurden die ersten Bauern mit Viehhaltung. Dadurch konnten sie eine gewisse Regelmäßigkeit in der Versorgung mit tierischem Eiweiß für sich gewährleisten. Das jedoch barg aber auch das Problem Beutegreifer jeder Art effizient von der Viehherde weg zu halten. So entstanden in einem geraumen Zeitpunkt echte Spezialisten: Die Herdenschutzhunde.

Herdenschutzhunde sind jene Hunderassen, die ausschließlich zum Zweck gezüchtet wurden das Nutzvieh vor „menschlichen“ und tierischen Beutegreifern zu schützen. Sie nehmen keine oder nur sehr selten Hütehundefunktionen war, wie z.B Border Collie oder Briard sondern sind große und kräftige Hunde mit ( scheinbar) stoischer Gelassenheit.

Konstitution, Kraft, Größe und Wesenseigenschaften haben sich unter ihren Lebensbedingungen einer natürlichen Selektion unterworfen. In jeder der verschiedenen Regionen der Erde – sei es die verbrannte Steppe Afrikas, die karge Berglandschaft der Türkei oder die Himalaya Region – überall findet man typische, ihrer Umwelt und ihrem Aufgabenbereich angepasste Herdenschutzhunde.

 

Aber auch in Europa wird der Einsatz von Herdenschutzhunden in vielen Gebieten zunehmen. Durch die kriegerischen Auseinandersetzungen im Balken im letzten Jahrhundert sind nicht nur Wölfe sondern auch Schwarzbären über das zerfallende Jugoslawien in den Nordwesten gewandert. In den Grenzgebieten Österreichs wurden vermehrt Sichtungen dieser Beutegreifer gemacht. Auch die Öffnung der Grenzen des Ostblockes haben nicht nur den Menschen die langersehnte Reisefreiheit geschenkt, sondern auch Rotwild oder Elch und somit auch dem Wolf.

Zum Glück distanziert man sich heute vom Ausrotten räuberisch lebender Tierarten und erkennt den Einsatz von Herdenschutzhunden als ökologisch verträgliche und gleichzeitig effektive Methode Nutztier zu schützen.

Bis jetzt war immer nur die Rede von Herdenschutzhunden als Arbeitshunde, als Beschützer für Nutztierherden. Durch ihre selektive “Zuchtauswahl“ nach Gesichtspunkten der Gebrauchsfähigkeit standen diese Tiere in ihren Ursprungsländen gesundheitlich und wesensmäßig auf hohem Niveau. Doch rückten diese Rassen leider vor dem zweiten Weltkrieg und vor allem nach dem zweiten Weltkrieg, in der Zeit der Hochkonjunktur, in den Focus der westeuropäischen „Hundefreunde“. Es wurden die ersten Zuchtvereine gegründet und in den folgenden Jahren hat die Zahl der als Haustiere gehaltenen Herdenschutzhunde zugenommen. Und damit haben, meist durch unverantwortliche oft aber auch oft unwissende Hundebesitzer die Probleme zugenommen, denn gerade die Ursprünglichkeit dieser Rassen gepaarte mit den typischen Wesensmerkmalen dieser Hunde kann bei zu wenig Verständnis des Menschen in westeuropäischen Gesellschaften großes Konfliktpotential beherbergen.

Wen oder was schützte der Herdenschutzhund?

Herdenschutzhunde sind stark territorial. Das bedeutet, dass sich ihr ausgeprägtes Schutzverhalten auf den Schutz ihres Territoriums, ihres Reviers bezieht. Ob jetzt auf diesem Territorium Schafe, Ziegen oder Kühe leben, ob alte Autowracks oder Gebäude mit hochtechnisierten Spezialgeräten stehen- das ist dem Herdenschutzhund erwiesener weise völlig egal. Er bewacht und beschütz sein Territorium. Steht dem Hund aufgrund seiner Haltung kein Revier zur Verfügung, so kann sich sein Schutzverhalten auf mehr oder weniger geeignete Objekte umleiten.

Geht man mit einem Herdenschutzhund in ein Restaurant kann der Kellner meist den Gast an dem von ihm ausgesuchten Tisch bedienen. Anfangs. Wenn er dann zum vermehrten Male an den Tisch tritt befindet ein Herdenschutzhund oft: So jetzt sitzen wir eine gute Stunde da, der Tisch ist nun als Revier angenommen und da hat jetzt keiner mehr ein zu dringen. Diese Handlung geschieht aber frei von Angst seitens des Hundes. E ist einfach nur der Meinung: ist jetzt mein Revier. (im Gegensatz zu unsicheren Hunden, die meist gleich vom Anfang an durch kläffen und keifen den Kellner von sich persönlich weg halten wollen).

Warum frisst der Herdenschutzhund die Schafe auf seinem Territorium nicht?

In ihren Ursprungsländern bewachen meist mehrere Herdenschutzhunde eine Herde (bzw. eben das Revier). Welpen werden ihre Aufgabe so sehr gut hineingeboren. In der Sozialisierung – und Reifephase lernt der Hund die Herdentiere als Bestandteil seines Reviers an zu erkennen. Er lernt sie weder im Spiel noch im Beutefangverhalten zu jagen oder zu töten. Die Tiere der Herde sind tabu. Der Herdengeruch wird dem Hund vertraut. Schwieriger ist es, wenn die Jungen der Herdentiere geboren werden. Als Schutz von Mutter Natur gegeben sind sie geruchsneutral und nehmen erst im Laufe der zeit den Herdengeruch an.

Wie lange brauchen Herdenschutzhunde um erwachsen zu werden?

Im Laufe der stammensgeschichtlichen Entwicklung der Herdenschutzhunde hat es sich von Vorteil erwiesen eine lange Jugendphase zu durchlaufen. Unabhängig von Herkunft oder Abstammung ist das zu beobachten. Dadurch ist sichergestellt, dass der zukünftige Territoriumsbewacher genug Erfahrung für seine Aufgaben machen kann. Er lernt von den adulten Rudelmitgliedern Gefahren richtig ein zu schätzen. Somit können beim Herdenschutzhund bis zum Erreichen der Erwachsenenreife schon 3-4 Jahre vergehen. Rüden brauchen in der Regel sogar etwas länger als Hündinnen.

Sind Herdenschutzhunde nicht coole und stoische Hunde?

Ja sie sind coole und (scheinbar) stoische Hunde. Wenn sie der Meinung sind in ihrem Revier läuft alles mit rechten Dingen.

Ja sie sind coole und (scheinbar) stoische Hunde, wenn sie der Meinung sind, dass die Leute die bei Ihnen zu hause aus und ein gehen ok sind.

Aber sie können auch anders. Trotz scheinbar faul herum liegen und sich für das Rundherum nicht zu interessieren sind sie innerhalb von 2 Sekunden von 0 auf 100 %-iger Aufmerksamkeit und Verteidigungsbereitschaft, wenn sie der Meinung sind etwas stimmt nicht.

Wenn sie mit dem Gedanken spielen sich einen Herdenschutzhund in Ihr Leben zu holen, dann bitte lesen sie die nächsten Zeilen mit größter Sorgfalt.

  • Sind Sie bereit sich der Herausforderung die die Erziehung eines Herdenschutzhundes darstellt zu stellen?
  • Sind Sie geduldig genug auf Lernfortschritte langfristig hin zu arbeiten?
  • Sind Sie offen für einen Hundecharakter der Sie möglicherweise vor Aufgaben stellt, die Sie alleine nicht bewältigen können?
  • Sind Ihr Familien – und Freundeskreis überschaubar?     
  • Können Sie garantieren, dass kein Fremder ohne Ihre Erlaubnis Ihr Grundstück betreten kann?
  • Ist Ihr Garten und Haus so gesichert, dass der Hund nicht ausbüchsen kann?
  • Schätzen Sie sich in Ihrer Souveränität und Führungspersönlichkeit so ein, dass Sie in der Lage sind einen körperlich und mental so starken Hund zu führen?
  • Haben Sie in Ihrer Wohnnähe die Möglichkeit mit dem Hund an der Leine im Grünen spazieren zu gehen, ist dies nicht der Fall sind Sie bereit mindestens 3-mal pro Tag mit dem Auto in ein geeignetes Gebiet zu fahren?
  • Hat Ihr Hund auch die Möglichkeit in einem abgegrenzten und überschaubaren Gebiet frei zu laufen?
  • Sind Sie bereit einen Großteil Ihrer Freizeit Ihrem  Hund zuwidmen, auf Hobbys zu verzichten, die es erforderlich machen würden Ihren Hund weg zu sperren oder regelmäßig stundenlang alleine zu lassen.
  • Können Sie Ihre Urlaube in Zukunft so planen, dass Ihr Hund dabei sein kann? Verzichten Sie auf Fernreisen oder Urlaubsziele, die in typischen, überlaufenen Touristenzentren liegen?
  • Hat Ihr Hund vollen Familienanschluss? Und ist Ihre gesamte Familie bereit die Entscheidung für einen (Herdenschutz) Hund mit zu tragen?

Es gibt unzählige Punkte mehr, die man anführen könnte. Es soll immer gut überlegt werden, ob ein Hund in die Familie kommt und bei einem Herdenschutzhund sollten diese Überlegungen doppelt anstellen.

Herdenschutzhunde wachen kompromisslos über ihr Territorium, handeln aufgrund eigener Entscheidungen. Sind keine Begleiter für Freizeit und Sport und auch keine Spielkameraden für Kinder.

Herdenschutzhunde sind ideale Familienmitglieder, wenn man bereit ist ihren artgemäßen Bedürfnissen Raum zugeben.